Fanfare Ciocarlia
(Rumänien)
Text: H.S.Ernst
April 2001
Fanfare Ciocârlia
Nach 4 Jahren exzessiver Tourneen durch aller Herren Länder und Kontinente arbeiten die 12 Meister der Fastspeedblasmusik an einem neuen Projekt.

Die Party, zu der Fanfare Ciocarlia Sturm bläst und damit notorisch das Publikum zum rasen bringt, wird verfilmt. Unter der Regie von Ralf Marschalleck / Berlin entsteht ein Roadmovie im großen Kinoformat, welches den Versuch unternimmt, die aufregenden und gar so unterschiedlichen Welten zwischen dem Leben im Zigeunerdorf Zece Prajini (Zehn Felder) in Rumänien und den Konzertbühnen im Ausland zu beschreiben.

Heute noch auf der Bauernhochzeit im Nachbardorf engagiert und morgen schon auf dem Flug nach Japan - Eindrücke aus einem Musikerleben, das sich auf eine alte Tradition stützt und nun den Hunger der wachsenden internationalen Fangemeinde nach entfesselter Blasmusik und balkanischer Atmosphäre stillt.

Im Laufe der Jahrzehnte haben sie ihren Glanz verloren und eine eigene Patina gewonnen, sie haben unzählige Narben und Beulen und sie sind aus Blech - die Instrumente der Gypsie Brassband FANFARE CIOCARLIA.

Die Elf Roma aus dem Dorf "Zece Prajini", im Nordosten Rumäniens, spielen im enormen Tempo und mit einem unglaublichem Sinn für rasante Rhythmik, traditionelle Tänze und Melodien, wie Sîrba, Hora und Brîu auf Blasinstrumenten - fernab der hierzulande existierenden Schrebergartenklischees. Das Repertoire von FANFARE CIOCARLIA besteht aus einer schier endlosen Menge an Stücken, deren Roots in der Volksmusik des Landes und der Region des Balkans liegen und gleichzeitig eine Musiktradition der Roma repräsentiert. Das Vibrato der Trompeten, die mächtige Bassektion, treibende Paukenschläge, die schreienden Saxophon- und wilden Klarinettenklänge lassen uns eindringen in den Sog der langen Partys, die man in ihrer Heimat noch zu feiern versteht. Noten sind den Musikern zwischen 22 und 60 Jahren fremd - die Kunst des Musizieren wurde und wird seit ewigen Zeiten vom Vater zum Sohn weitergegeben. Die Musik der "Fanfaren" - so bezeichnen die in Rumänien lebenden Roma ihre Blaskapellen, begleiten das rituelle Leben des nördlichen Teil Rumäniens. Ob Geburten, Taufen, Hochzeiten oder andere Feste - überall sind die Fanfaren fester Bestandteil. Die Musiker stolz über ihr Orchester: "Wir sind eines der letzten Tzigani-Kapellen dieser Art in Rumänien, mit alter Tradition, reichem Repertoire und - wir sind die Schnellsten...!" Sie meinen es ernst damit: hat man bei der Dorfhymne "Sîrba de la Zece Prajini" noch die Möglichkeit, den Takt mit dem Fuß mitzuhalten, ist die Gefahr groß, bei der "Bâtuta la rÎnd" den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Es gleicht einem Wunder, wenn sich die Musikerzahl für einige Melodien auf nur vier reduziert und langsame Stücke erklingen, in denen filigrane Klangmuster und poetische Melodien gezaubert werden. Beeindruckend die außergewöhnliche Besetzung dieses zeitweiligen Quartetts: Basstuba, Baritonhorn, Trompete und Saxophon. In akrobatischer und zartfühliger Weise lassen sie uns für einige Minuten vom Sturm der Hörner verschnaufen.....Die auf dem Balkan angesiedelten Gypsie Brassbands unterscheiden sich in origineller Weise von dem statischen Stil der uns bekannten Blasmusik. Ursprung sind die im 19. Jahrhundert entstandenen türkischen Militärblaskapellen. Die damalige osmanische Okkupation des Balkans beeinflußte auch die Musik. Ob in Bulgarien, Mazedonien, Serbien oder Rumänien - überall sind die orientalischen Einflüsse hörbar.

FANFARE CIOCARLIA beschränkt sich nicht auf ein bestimmtes Publikum und läßt sich nicht leichtfertig in eine der herkömmlichen Musikschubladen ablegen.

Wenn sich Baritonspieler Constantin in dem Stück "Dansul lui Sulo" per Stimme mit dem Orchester mißt, wird man leicht an Rapphrasen oder Reggae-Toasts erinnert. Die faszinierende Mischung musikalischer Elemente und Kulturen, die die Roma auf ihrem Weg nach Europa adaptierten, der orientalische Einfluß und das spielerische Temperament der Musiker machen diese Art von Blasmusik so einzigartig. Trotzdem werden Zeitgeist-Bands mit elektronischen Instrumenten und kleiner, westlich orientierter Besetzung in Rumänien immer gefragter und lassen die Erwerbsquelle der traditionellen Blasorchester langsam versiegen. Mit tragikomischer Melancholie reagiert FANFARE CIOCARLIA auf diese Entwicklung und läßt Welthits wie "One way ticket...” von den umliegenden Bergen des Dorfes widerhallen. Sie sind noch von der alten Spielwut ihrer Väter beseelt und so werden sie mit Trompeten, Hörnern, Klarinetten und ihrer Pauke - Derwischen gleich - immer wieder auf Asphalt-Tango-Tour gehen, um ihr Repertoire auch außerhalb ihrer Heimat zu präsentieren.

Related Links:
Media:
  • CD “Radio Pascani” (CD-PIR 1254- Piranha Musik Berlin EFACD 01919)
  • CD “Baro Biao World Wide Wedding” (CD-PIR 1364 / EFACD 01930)
  • CD “Wild Sounds From Transylvania, Wallachia & Moldavia” (Network Medien)
  • CD “Musikanti” / Nederlands Blazer Ensemble featering FANFARE CIOCARLIA (Villa Achterwerk / VPRO Nederland)


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